ALWAYS ON?! Auch im Netz gilt das Gesetz

Gewalt, Rassismus und Pornos im Klassenchat

Expertinnen und Experten berichteten von ihrem beruflichen Alltag und gaben Interessierten relevante Einblicke in die digitale Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. 

Dass das Thema Cybermobbing die Menschen in Ellwangen bewegt, zeigte die Resonanz auf den Infoabend, zu dem der SI-Club Ellwangen und die Stadt Ellwangen eingeladen hatten. Rund 300 Interessierte informierten sich am 30. Januar 2024 im Forum des Peutinger-Gymnasiums über Gewalt im Netz und Hate Speech.

Unter dem Titel „ALWAYS ON?! Auch im Netz gilt das Gesetz“ gab der SI-Club Ellwangen gemeinsam mit Vertretern aus Justiz und Praxis Einblicke in die digitale Lebenswelt von Jugendlichen und Tipps zum Umgang mit rassistischen sowie pornografischen Inhalten in sozialen Medien.

Verena Rothmaier, derzeitige Präsidentin von Soroptimist International Club Ellwangen, war „total überrascht und geflasht von dieser unglaublichen Resonanz“. 

Oberbürgermeister Michael Dambacher freute sich in seinem Grußwort auf einen „phänomenal tollen Abend“ und betonte die Wichtigkeit des SI-Präventionsprojekts „BeOn – Bewusst Online“, dass die Stadt als Kooperationspartnerin mit jährlich 5000 Euro fördert. Er ist zuversichtlich: „Die Damen vom SI-Club leisten wertvolle ehrenamtliche Arbeit. BeOn zeige, wie eine zielgruppenübergreifende und nachhaltige Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen stattfinden kann.“

Vizepräsidentin des SI-Clubs Dr. Kathrin Plänker begrüßte die Gäste und leitete über zum ersten Impulsvortrag. 

Staatsanwalt Maximilian Adis, der von 2019 bis 2021 Jugendrichter am Amtsgericht Ellwangen war, ist aktuell auch als Spezialdezernent im Bereich Hasskriminalität tätig. Themen wie Gewalt im Netz, Hate Speech, Fremden- und Frauenfeindlichkeit und Cybermobbing stehen auf seiner täglichen Agenda. Unter dem Titel „Mit einem Bein im Gefängnis“ verdeutlichte Adis anhand verschiedener Beispiele und Straftatbestände, dass Beiträge in sozialen Medien auch strafrechtliche Konsequenzen haben können. 

Bei Jugendlichen über 14 Jahren und jungen Erwachsenen zwischen 18 und 21 gibt es, so der Staatsanwalt, verschiedene Sanktionsmöglichkeiten bis hin zu Jugendstrafen. Aber auch bei unter 14-jährigen, die strafunmündig sind, gibt es Maßnahmen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe bis hin zur Entziehung des Sorgerechts der Eltern.

Die Hemmschwelle sei im Internet deutlich geringer, erklärte der Staatsanwalt in Hinblick auf Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede, Stalking und Cybermobbing. Ermittlungsverfahren, die in Verbindung mit Rechtsextremismus und Volksverhetzung stehen, hätten deutlich zugenommen. Der Gesetzgeber reagiere darauf, unter anderem durch die Erhöhung der Strafrahmen bei Beleidigungen und Bedrohungen im Netz.

Nichts zu machen, sei der absolut falsche Weg, erklärte Adis. Wenn Eltern auf den Handys ihrer Kinder ungewollt zugesandte, strafrechtlich relevante Inhalte feststellen, sollten sie die Polizei einschalten. Die Inhalte nicht löschen, aber auch nicht auf das eigene Handy schicken lassen, sondern umgehend mit dem Handy des Kindes zur Polizei, rät Maximilian Adis. 

Christina Faber, Vorsitzende des Fördervereins SI-Hilfe Ellwangen/Jagst, dem Projektträger von „BeOn – Bewusst Online“, informierte über den bisherigen Projektverlauf. Das vom SI-Club initiierte Präventionsprojekt regt zur Reflexion des Medienkonsums an und gibt Orientierung im Umgang mit sozialen Medien. BeOn wird bereits im dritten Jahr an sechs weiterführenden Schulen in Ellwangen umgesetzt. Die Workshops finden inzwischen durchgehend in den Klassen 5, 6, 7, 8 statt, unterstützt werden Schulsozialarbeitende und die externen Referenten von sogenannten „Medienmentorinnen und -mentoren“. Die Jugendlichen sind extra für die Sensibilisierung des Medienkonsums geschult und haben einen anderen Zugang zu den Gleichaltrigen. Für „BeOn“ ist eine Laufzeit von vier Jahren vorgesehen – in dieser Zeit nehmen mehr als 4000 Kinder und Jugendliche teil. 

„Für eine umfassende Evaluierung des Projektes konnten wir die Duale Hochschule Heidenheim gewinnen“, freute sich Christina Faber und begrüßte Professor Dr. René Gründer, der den Ablauf des Lehrforschungsprojektes vorstellte. Erste Ergebnisse sind im Herbst 2024 zu erwarten.

Der freiberufliche Referent für Social Media, Clemens Beisel gab Einblicke in die Lebensrealität von Jugendlichen in seinem Impulsvortrag „Darf man das? Über Dinge, die im Klassenchat und auf Tik Tok alltäglich sind“. Der Sozialpädagoge bietet seit 2013 Workshops in Schulklassen und Fortbildungen für Eltern an – auch in Ellwangen, im Rahmen des Präventionsprojektes „BeOn“. Beisel berichtet von Bildschirmzeiten von bis zu 15 Stunden am Tag und Gruppenchats mit 1050 Personen, die zum Teil „ekelhafte“ Inhalte verschicken würden. Der Referent beobachte bei Kindern auch reale Kriegsängste, die durch Verschwörungsmythen auf der Social Media-Plattform Tik Tok entstehen: Ein Schüler berichtete ihm vom russischen Angriffskrieg und erklärte „die sind doch jetzt schon in Paris“. Auch das Versenden von Nacktbildern würde häufiger vorkommen, als man denke, so der Referent. 

Eine weitere Sorge des Sozialpädagogen ist die Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Viele Schülerinnen und Schüler benutzen ChatGPT, um ihre Hausaufgaben zu erledigen. Er sei viel im Gespräch mit Lehrkräften über die Konsequenzen für die Bildung der Kinder. 

Jana Weiß, Schulsozialarbeiterin am Peutinger-Gymnasium, stimmte Clemens Beisel zu: „Wir haben Schülerinnen und Schüler, die täglich neuneinhalb Stunden am Handy hängen“. Sie gab konkrete Ratschläge, wie Eltern ihre Kinder unterstützen können: im Gespräch bleiben, gutes Beispiel sein, digitale Grenzen setzen und Aktivitäten ohne Handy anbieten – darauf komme es an, so Weiß und Beisel.
 

ALWAYS ON > BeOn

In der anschließenden Fragerunde wurde deutlich, wie sehr sich Eltern um einen gesunden Umgang mit digitalen Medien sorgen. Einige ihrer Fragen konnten mit wertvollen Tipps beantwortet werden. Offensichtlich wurde aber auch, dass eine bewusste und reflektierende Nutzung sozialer Medien gesamtgesellschaftlich relevant ist. Zum einen haben Erwachsene Vorbildfunktion und sollten ihr eigenes Mediennutzungsverhalten ebenso unter die Lupe nehmen. Zum anderen werden aus den heutigen Schülerinnen und Schülern, Auszubildende, Studierende, Fachkräfte – unsere Gesellschaft von morgen. Was prägt sie, wodurch wird ihre Meinung beeinflusst, wie gehen sie miteinander um?

Eine Gelegenheit für Eltern und Interessierte sich zur Thematik zu informieren, Chancen und Risiken im Umgang mit sozialen Medien, Apps und Co zu erkennen, bieten die Tipps zur Mediennutzung von Clemens Beisel, https://clemenshilft.de/digitalerelternabend 
und www.medien-kindersicher.de

Nähere Informationen zu den Referenten,
siehe Einladung zum Infoabend.
Fotos: Michael Ankenbrand

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